Johannes Vogel (FDP-Bundestagskandidat) im Interview mit come-on.de

Johannes Vogel ist Bundestagswahlkandidat für die FDP. Er erzählt von seiner Jugend, Fußball und dem Weg in den Wahlkreis Olpe – Märkischer Kreis I.
Lüdenscheid – Johannes Vogel kommt rein. Eine Viertelstunde vor dem vereinbarten Termin. Fester Händedruck, federt die Treppe hoch, erwähnt dabei die atemlose Terminflut in diesem Winterwahlkampf, setzt sich und greift zu. Zehn Portionen Merci-Schokolade in einer Stunde. Der FDP-Kandidat, 44 Jahre alt, schlank, fast drahtig, Drei-Tage-Bart, redet schnell, denkt schnell, antwortet ohne Zögern.
Als „Vizekusen“-Fan schmerzerprobt: Johannes Vogel ist Bundestagskandidat für die FDP
Seine Hände reden mit, die Gestik wirkt energisch. Seine Partei kämpft um die Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde. Die Umfragewerte sehen sie aktuell eher bei vier Prozent. Kampfeswille sei jetzt gefragt, sagt er – offenbar seine Kernkompetenz. Und dennoch: „Ich spüre eine große innere Ruhe.“ So spricht einer, der sich auf dem richtigen Weg weiß, ein Überzeugungstäter.
Seine Wiege stand in Wermelskirchen, Rheinisch-Bergischer Kreis, nahe Remscheid. Hier besuchte er das Gymnasium, dieselbe Schule wie sein Parteivorsitzender Christian Lindner, der drei Jahrgangsstufen über ihm war. Johannes Vogel beschreibt sein Elternhaus als „sehr liebevoll“, geprägt von einer „hohen Toleranz und Neugier auf Menschen“. Seinen Zivildienst leistet er als Rettungssanitäter ab.
Ab und zu im Stadion: Kindheit und Fußball-Vergangenheit
Gekickt hat er, bei TuRu Wermelskirchen. Der Vater, gelernter Drogist, arbeitete sich im Bayer-Konzern hoch – und nahm seinen Sohn schon früh mit zu Spielen der Werkself. Seine Verbundenheit zu Bayer 04 Leverkusen hält bis heute, die Dauerkarte für die BayArena ist ihm wichtig.
Als Fan von „Vizekusen“, lacht Johannes Vogel, sei man schmerzerprobt – ähnlich wie als Parteisoldat der Liberalen. Man brauche gute Nerven. „Als wir Meister wurden, war ich natürlich dabei und bin nach dem Abpfiff mit auf den Rasen gerannt.“ Er lobt seine Assistentin Nancy, die im Abgeordnetenbüro die Termine ihres Chefs so taktet, dass er es ab und zu ins Stadion schafft.
„Verstehe diese Region einfach“: Vogel über seinen Weg in den Wahlkreis
Der Weg in den Wahlkreis 148 war für den Wermelskirchener, verheiratet und Papa einer Tochter, nicht weit. Die Aussicht auf einen guten Listenplatz für die Bundestagswahl 2009 trieb ihn nach Olpe. „Da ist es ja ähnlich wie im Bergischen. Wetter, Landschaft, Industriestruktur, der Menschenschlag, die Häuser – ich verstehe diese Region einfach.“ Er wird Kreisvorsitzender und Kandidat und zieht mit 27 Jahren erstmals in den Bundestag ein. Die FDP holt 14,6 Prozent.
Wie findet so einer mal Ruhe zwischendurch? Wie behält er die Balance im vibrierenden Alltag des Berufspolitikers? Als Pendler zwischen seinem Wahlkreis und seinem Zweitwohnsitz in der Hauptstadt? Woher kommt die Kraft? „Ich entspanne mich am besten, wenn ich Zeit für meine Familie habe.“ Katrin Vogel lebt und arbeitet in Berlin.
„Es ist hart geworden“: Politischer Gegenwind ist für Johannes Vogel kein Problem
Urlaub in den USA, in Südfrankreich, Strandspaziergänge, „und abends nichts mehr in den Social Media lesen“ – das sind für ihn erprobte Rezepte, um „runter zu kommen“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion und Ex-Botschafter des Bieres beim Deutschen Brauer-Bund. Dazu häufige Restaurant-Besuche, „wir lieben asiatisches Essen“. Und Sport. Und wann immer es geht, ein gutes Buch. Zuletzt „Age of Revolutions“ von Fareed Zakaria – auf Englisch.
Trotzdem: „Es ist hart geworden. Die Gesellschaft wird polarisierter.“ Der Gegenwind, den Politiker aus Teilen der Bevölkerung spüren, „damit komme ich gut klar“. Doch Angriffe auf die Kandidaten und deren Wahlkampfteams seien ein Zeichen, dass es „einen enormen Bedarf an Vernunft“ gebe. Sorgen bereite ihm das gesellschaftliche Klima, wenn Ehrenamtliche zur Zielscheibe werden.
Fünf-Prozent-Hürde: FDP-Kandidat macht sich persönlich keine Sorgen
Angesichts der Möglichkeit, dass die FDP es am 23. Februar nicht in den Bundestag schafft, bemüht sich Johannes Vogel um Gelassenheit. Über einen Plan B, sagt er, habe er „konkret noch gar nicht nachgedacht“. Der könnte zunächst bedeuten, mehr Zeit für die Familie zu haben. „Persönlich mache ich mir keine Sorgen.“ Er hatte sich 2017 als Führungskraft der Bundesagentur für Arbeit beurlauben lassen. Da leitete er, 35 Jahre alt, als Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal, eine Behörde mit rund 400 Mitarbeitern.
Aber jetzt erstmal Vollgas. Eine „marktwirtschaftliche Kraft aus der Mitte“ brauche die Republik. Als solche sei die FDP wichtig für das Land, meint Johannes Vogel. Da gelte es, nach vorne zu schauen. Und nicht unbedingt zurück – zum Beispiel auf die Detonation der Ampel-Koalition. „Die Ampel hat am Anfang gute Arbeit gemacht, aber es reichte dann nicht.“ Die Antwort auf die Frage nach der Wunschkonstellation einer Regierung nach den bevorstehenden Wahlen gibt er so schnell wie alle seine Antworten: „Schwarz-Gelb.“
Zustrombegrenzungsgesetz: Vogel blieb umstrittener Abstimmung mit der AfD fern
Aus der Abstimmung über das Gesetz zur Zustrombegrenzung, das CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in der Debatte über eine schärfere Migrationspolitik mit den Stimmen der rechtsextremen AfD im Bundestag durchboxen wollte, hielt sich Johannes Vogel heraus. „Ich habe Respekt vor Mehrheiten, aber das erste Gesetz zusammen mit der AfD zu machen, das ging mir einen Schritt zu weit.“ Vogel blieb der Abstimmung im Plenum fern.
Darüber wird in den Reihen der Liberalen gesprochen. Am 4. Februar folgte der Olper Bundestagskandidat in seinem Wahlkreis der Einladung zu einem Wirtschaftsempfang in Neuenrade. Die Fragerunde dort begann mit dem Thema Abstimmungsverhalten.
Ein örtlicher FDPler konfrontierte seinen Parteifreund direkt damit. „Wo warst du letzten Freitag – als Parlamentarischer Geschäftsführer?“ Johannes Vogel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Es war eine Gewissensfrage für mich. Wenn du den Weg gehst, mit der AfD, gerät man vielleicht auf eine Rutschbahn.“ Die Fahrtrichtung auf einer Rutschbahn ist vorgegeben: bergab.
Zurück in die Hauptstadt: Fußball auf der Rückfahrt nach Berlin
Er muss jetzt los. Es ist später Abend. „Ich fahre noch nach Berlin.“ Johannes Vogel steht auf, räumt sorgsam zehn leere Merci-Papierchen weg, schnappt sich sein Jackett. Fester Händedruck, die Treppe hinunter, fast im Laufschritt. Während der Fahrt in die Hauptstadt läuft Fußball, Pokalspiel. Leverkusen gegen Köln, rheinisches Derby. Sein Herzens-Club gewinnt knapp in der Verlängerung – und erreicht das Halbfinale.
Die nächste „knappe Kiste“ wartet schon. Anpfiff am 23. Februar. Wie schnell der Abpfiff ertönt für Johannes Vogel und seine Partei, entscheiden die Wähler.
Quelle: Olaf Moos auf come-on.de vom 14.02.2025